Bettgeflüster: Warum geht jemand fremd?

Warum geht jemand fremd?

Warum geht jemand fremd?

Ja, warum geht jemand fremd? Heute widme ich mich einem Thema, worüber gerne geschrieben wird. Im Magazin oder auf Blogs, es ist allgegenwärtig und heiß diskutiert, das Fremdgehen. Bisher habe ich noch keinen Artikel zu dieser Thematik verfasst, obwohl es sicherlich ein Grund dafür ist, weswegen so manch einer Single ist. Ehrlich gesagt habe ich es bisher vermieden darüber zu schreiben. Es heißt ja, die Zeit heilt alle Wunden, aber manche Erlebnisse können noch lange Zeit nachwirken. Man muss sich ihnen zwar stellen, sie akzeptieren und lernen damit zu leben, aber das ist nicht immer leicht, ich weiß.

Man könnte meinen, dass Lügen und Betrügen in unserer Gesellschaft schon an der Tagesordnung liegen. Dank Seitensprungportalen und den vielen Singlebörsen wird es einem ja auch leicht gemacht. Nicht nur die Onlinewelt bietet Möglichkeiten, sondern auch die reale Welt.

Warum, wieso, weshalb? Es gibt viele Gründe, die versuchen dieses Verhalten zu erklären. Jeder hat seine Wahrheiten. Wir haben alle unser kompliziertes System von Rechtfertigungen und Erklärungen für unsere Taten. Dennoch zeigt sich ein Muster bei aller Vielfalt der Ursachen. Nicht nur durch eigene Erfahrungen, sondern auch im Freundes- und Bekanntenkreis gibt es ein paar immer wiederkehrende Gründe für das Tête-à-Tête außerhalb einer Beziehung.

Gründe fürs Fremdgehen:

  • Mangelndes Selbstbewusstsein: Der Seitensprung zur Aufpolierung des Egos. Wenn jemand mit sich selbst nicht im Reinen ist, Minderwertigkeitskomplexe oder andere Probleme hat, schmeichelt es dem Selbstbewusstsein die Anerkennung / Bestätigung einer fremden / anderen Person zu erhalten.
  • Alkohol/Drogen: Sind Substanzen die zum Kontrollverlust führen. Je höher die Dosierung, desto ungehemmter wird man, zudem regen einige Substanzen  das sexuelle Verlangen an. Ist die Gelegenheit da, die Sinne betäubt, wird selten über Konsequenzen nachgedacht.
  • Unzufriedenes Sexualleben in der Partnerschaft: In jeder Beziehung kommt irgendwann der Punkt, bei dem der Alltag sich so eingeschlichen hat, dass sämtliche Erotik auf der Strecke bleibt. Anstatt mit dem Partner über die eigenen Sehnsüchte zu sprechen, wird das Verlangen „einfach“ woanders gestillt.
  • Der sexuelle Kick: Ja, die Katze / Kater lässt das Mausen nicht. Schon als Kind waren verbotene Dinge erst recht interessant, wie weit kann man gehen, wo sind die Grenzen? Der Seitensprung als Kick, für einen Moment belebt er, einen fremden Körper zu spüren, etwas Verbotenes zu tun euphorisiert unser Selbst.
  • Bindungsangst: Das-kalte-Füße-Gen, hier geht es manchmal gar nicht um die Sexualität. Viel mehr ist es die Angst vor zu viel Nähe. Man hat Angst, seine Freiheit aufzugeben, sich selbst in einer Beziehung zu verlieren. Diese Vorstellung hat selten mit dem Partner zu tun, sondern der Kern dieser Beziehungsfantasie liegt viel tiefer, weiter zurück. Oft sind es Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kindheit und Jugend, die einen heute noch im Unterbewusstsein verfolgen. Wenn man das nicht weiß, fängt man immer wieder neue Beziehungen an und beendet sie, weil es zu langweilig war. In so einem Fall sorgt ein Seitensprung oder Affäre natürlich immer für Distanz. Dabei wollte er gar nicht fremdgehen, er hatte nur Angst! Hier kann eine Therapie helfen.
  • Der Rachef***: Wie du mir, so ich dir. Wenn man betrogen wurde, ist man verletzt und möchte den Schmerz mit gleicher Münze heimzahlen. Balsam für das angeknackste Ego, aber fühlt man sich danach besser?
  • Die Beziehung ist vermeintlich am Ende: Aber Schluss ist noch nicht. In jeder Partnerschaft läuft es auch mal schlecht. Manchmal auch richtig schlecht, so dass man am liebsten alles hinschmeißen möchte. Total neben der Spur, trifft man auf jemanden, der einen ein tolles Gefühl vermittelt. Die Beziehung ist eh vorbei, also warum nicht auf etwas Neues einlassen, auch wenn es in erster Linie nur körperlich ist. Problem – die Beziehung wird nicht beendet und weitergeführt, weil es eben doch nicht so schlecht ist, wie man es vorher dachte. Weil man seinen Partner doch liebt und zusammen bleiben möchte. Es ist ein Verhaltensmuster und wird bei wieder schlechten Zeiten erneut angewendet.
  • Beziehungsausbruch: Die Liebe ist erloschen, man lebt nur noch nebeneinander her und Sex gibt es schon lange nicht mehr. Gemeinsam einsam, man vermisst das Gefühl der Zärtlichkeit, begehrenswert zu sein. Der Partner mäkelt nur noch an einem herum, schlimmer noch, es wird resigniert. Oft wird dann die Geborgenheit in fremden Armen gesucht.
  • Man verliebt sich neu: Immer wieder trifft man auf neue Menschen. Am Arbeitsplatz, im Freundes- und Bekanntenkreis oder auf der Straße. Da kann es passieren, dass man sich zu jemandem hingezogen fühlt. Da ist wieder das Kribbeln im Bauch, welches beim Partner fehlt. Es fühlt sich gut an, denn die Hormone spielen verrückt. Man kann zwei Menschen gleichzeitig lieben. Den einen liebt man, in den anderen ist man verliebt, es bedeutet nicht automatisch ein erlöschen der Gefühle für den Partner.
  • Der Partner ist zu stark: Attraktiv, selbstbewusst, charakterstark, intelligent, zielstrebig, liebenswürdig, hat einen gesunden Lebenssinn, ist beliebt und könnte theoretisch an jeder Ecke eine bessere Wahl finden. Man würde gerne selber so sein, schafft es aber nicht. Anfänglich fühlt man sich durch so einen Partner beschwingt. Es ist die Bestätigung für einen, dass so jemand sich für einen interessiert. Aber im Laufe der Beziehung stellt man fest, dass man demjenigen nie das Wasser reichen kann und fühlt sich minderwertig. Oft wird dann die Bestätigung bei jemand anderem gesucht, damit man sich seinem Partner überlegen fühlt. Denn der / die weiß ja nichts davon. (Verbreitetes Phänomen bei starken Frauen).
  • Der Partner ist zu schwach: Anhänglich, extrem eifersüchtig, kein Selbstbewusstsein, naiv und tut alles für einen. Alles dreht sich nur um den Partner, man kann gemein sein und denjenigen mit „Füßen“ treten. Anstatt Paroli geboten zu bekommen wird man zusätzlich mit Zuneigung und Liebe überhäuft. Man kann tun was man will, es gibt keine Konsequenzen und keine Grenzen. Anfänglich schmeichelt es einem so geliebt zu werden, aber auf Dauer verliert man den Respekt.

Bettgeflüster

Alle diese Gründe haben primär mit einem selbst zu tun und nicht mit dem Partner. Jeder ist der Architekt seiner eigenen Unzufriedenheit. Es sind Werte mit denen wir aufgewachsen sind, Ideale die uns geprägt haben und uns in unserem Handeln begleiten. Meine Oma hat immer zu mir gesagt: „Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu.“ Ich denke es tut jedem weh, von jemandem, den man liebt, schätzt und respektiert, so hintergangen zu werden. Niemand ist nur gut oder böse, wichtig ist letztendlich für welches Verhalten wir uns entscheiden und wenn man jemandem damit weh tut, ist es kein gutes Verhalten. Allerdings sollte man sich selber auch nicht weh tun und lieber vorher mit dem Partner über seine sexuellen Wünsche sprechen, auch wenn es kein einfaches Gespräch wird.

Treue oder Ehrlichkeit

Beides zusammen funktioniert bei den meisten nicht. Treue ist eine freiwillige Entscheidung, nur weil man mit jemanden zusammen ist, besitzt man denjenigen NICHT. Jeden Tag kann man sich neu dafür oder dagegen entscheiden. Je länger eine Beziehung, desto mehr entscheiden sich dagegen. Sagen es dem Partner aber nicht, weil man denjenigen nicht verletzen will und sich ja vor Jahren für die Treue entschieden hatte. Kommunikation ist das Wichtigste in einer Beziehung, allerdings je enger das Regelkorsett, desto schwieriger die Kommunikation. Eine Beziehung ist nicht selbstverständlich und läuft einfach so weiter, die Karten werden immer wieder neu gemischt.

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Quellenangabe: Fotografie = © Yong Hian Lim – Fotolia.com
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7 Comments

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  1. says: Paul Baumann

    Bei uns war es wohl die Beziehung, die an Ende ist. So sagte, es auf jeden Fall meine Frau. Ich bin super wütend und muss mich nun um einen Scheidungsanwalt kümmern. Hier habe ich aber jemanden vertrauenswürdigen gefunden.

  2. says: UTE BENECKE

    Hallo liebe Julia,
    schöner Artikel.
    Ich finde noch den Aspekt Verantwortung für sich selbst und die eigene und auch gemeinsame Sexualität zu übernehmen wichtig. Und auch das Bewusstsein dafür zu haben. Davor drücken sich gerne Frauen und Männer. Wie du schon richtig geschrieben hast.
    In meinen Beratungen erlebe ich bei Frauen oft die Haltung „mein Mann ist zuständig für meine Lust und deren Erfüllung“. Diese Haltung ist nicht wirklich sexy und dienlich. Für keinen. Der Widerstand dafür dann die Verantwortung zu übernehmen ist meist groß. Doch wenn man es schafft, gibt es oft eine 180 Grad Drehung und wieder lustvollen Sex.
    Einen weiteren Aspekt, den du auch schon angeschnitten hast, ist wirklich ehrlich mit sich selbst zu sein und zu schauen, was man selber will. Ist man wirklich bereit treu zu sein in einer Zweierbeziehung? Oder tut man es nur dem Anderen zuliebe? Die Verletzungen beim Fremdgehen kommen ja meist aus den Lügen die es braucht es umzusetzen. Würde man nur den Sex hernehmen stellt sich mir immer die Frage: Nimmt es der Beziehung was, oder gibt es ihr was?

    Am Wichtigsten finde ich Offenheit und Ehrlichkeit. Wenn sich meine Bedürfnisse ändern, muss ich es auch ansprechen. Wenn ich Treue abgemacht habe, und nicht mehr will, muss ich es ansprechen. Ebenso wenn man eine offene Beziehungsform gewählt hat und das nicht mehr stimmig ist.

    Spannend wird es für mich dann dass man in der Beziehung ja von Liebe spricht. Doch die Liebe reicht nicht aus offen miteinander zu sein weil die Angst zu groß ist. Und das nennt man dann Liebe.

    Es ist wie du sagst, das Thema ist glaub unendlich … Jedenfalls schön dass ich auf deinen Blog gekommen bin, gefällt mir.

    Lustvolle Grüße Ute

    1. says: Nils Terborg

      Heyy Ute,

      danke dir für diesen tollen Satz:

      „Würde man nur den Sex hernehmen stellt sich mir immer die Frage: Nimmt es der Beziehung was, oder gibt es ihr was?“

      Ich finde, der lenkt auch gerade beim Thema Monogamie/Polygamie in die richtige Richtung – nämlich weg von Glaubenssätzen, Normen und Klischees hin zu den individuellen Bedürfnissen. Und wer dann wieder beim „Standard“ herauskommt, der hat durch die Frage eine Selbsterkenntnis mitgenommen! :-)

      LG, Nils

  3. says: Nils Terborg

    Hi Gen!

    Ja, ich denke, dass das Selbstwertgefühl beim Fremdgehen meistens leidet – also das des „Betrogenen“. Aber:

    Ich finde (zumindest für mich) die Einstellung merkwürdig, alles und der einzige für einen Menschen sein zu wollen. Das will ich nicht für ein Familienmitglied, nicht für einen Freund und auch nicht für einen Partner :-)
    Klar, das sieht nicht jeder so, aber auch als ich früher selbst anderer Meinung war, habe ich das als sinnvolles Ziel für meine Entwicklung gesehen – und es macht tatsächlich vieles einfacher!

    Die ganzen Begriffe „Beziehung“, „Fremdgehen“ und „Untreue“ finde ich wirklich dogmatisch aufgeladen. Ich denke, dass reflektieren hilft, sich davon langsam zu verabschieden und zu einem individuelleren und klischeefreien Verständnis von Beziehung zu kommen. Und warum nicht dann zumindest versuchen, sich zwar auf seinen Partner zu beschränken und eine Erfahrung mit Sexualität außerhalb der Partnerschaft nicht gleich zum Anlass für Drama oder gar zum Ende der Beziehung „hochzuspielen“?

    LG, Nils

  4. says: Gen Odin

    Fremdgehen hat vielleicht biologische Gründe. Wenn ich die Delikatesse Schnitzel esse, empfinde ich Lust. Zweimal in der Woche vermindert die Lust um 50%. Wenn ich sie 30 Mal im Monat bekomme, so wird dieses Delikatesse fade. Muss ich sie noch 10 Jahre essen, wird sie ekelig. Ich kann sie dann nur noch ertragen, wenn ich zwischendurch etwas anderes esse. Warum sollte es in der Liebe anders sein? Der Haken an der Sache ist: Gehe ich fremd, so beleidige ich den anderen in seinem Selbstwertgefühl. Denn dann gibt es ja etwas Besseres als mich. Und ich dachte immer, ich sei das „ein und alles“ meines Partners. Noch schwieriger wird die Sache, wenn wir Gemeinsamkeiten haben (Kinder). Denn dann wird die Untreue zum Verrat. Wir haben es also mit einem kordischen Knoten zu tun.
    Gen Odin (Vienna)

  5. says: Julia

    Hallo Nils,

    vielen Dank für Dein Kommentar und ja Du hast recht ;) Diesen Punkt hatte ich eigentlich beim Alkohol mit einbezogen, denn nüchtern sind wir doch eher schüchtern und lassen uns von unseren Trieben nicht so leiten, wie wenn wir etwas getrunken haben. ;)

  6. says: Nils Terborg

    Hi Julia,

    schöner Artikel, ich finde, du hast sehr umfassend so ziemlich alle Gründe beschrieben…kann ich alles gut nachfühlen, wenn ich in mich hineingehe!

    Ich finde aber, dass du einen wichtigen Punkt vergessen hast:
    Das sehr menschliche Bedürfnis, auch unabhängig von der Qualität der Beziehung Sex mit anderen Menschen zu haben.

    Schwierig wird es natürlich, wenn daraus tatsächlich ein nicht abgesprochenes Fremdgehen wird, das sorgt fast immer für große emotionale Schäden. Ich finde, wir sollten da zu einem offeneren Umgang mit den eigenen Bedürfnissen finden. Damit lässt sich auch allen Ursachen vorbeugen, die du so schön beschrieben hast!

    LG, Nils